Ein Forschungsinstitut – 32 Nationen
Astronomie ist und war seit jeher eine internationale, Länder- und Kulturgrenzen überschreitende Wissenschaft. Astronomische Forschung und Projekte zeichnen sich durch ihre Multinationalität aus – ebenso wie die Karrierewege vieler einzelner Forschender. So arbeitete die in Italien gebürtige AIP-Wissenschaftlerin Maria-Rosa Cioni beispielsweise in den Niederlanden, in Großbritannien und am Hauptsitz der Europäischen Südsternwarte (ESO) in München, von wo sie regelmäßig Beobachtungsreisen nach Chile unternahm, bevor sie am AIP ihre eigene Forschergruppe aufbaute.
Am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) stammen die etwa 130 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus über 30 verschiedenen Ländern aller Welt. Die Arbeitssprache ist Englisch und die interkulturelle Begegnung gehört zum Arbeitsalltag.
Wie baut man das größte Teleskop der Welt?
Erst durch das für die Astronomie so typische internationale Netzwerk werden die Planung und der Bau moderner Großobservatorien möglich. „Größer ist besser“ ist ein geflügelter Satz in der Astronomie – und tatsächlich oft wahr. Immer größere Spiegel produzieren immer schärfere und tiefere Bilder kosmischer Objekte. Internationale Teams investieren viele Jahre oder sogar Jahrzehnte, um spezialisierte Instrumentierung für Teleskope auf der Erde und im Weltraum zu entwickeln.
Für die Beobachtung des Südhimmels von der Erde aus sind die europäischen Astronominnen und Astronomen innerhalb der Europäischen Südsternwarte (ESO) organisiert. ESO betreibt das Very Large Telescope (VLT) und die VISTA-Himmelsdurchmusterung in Chile — und plant bereits die nächste Größenskala eines Teleskops: das European Extremely Large Telescope (E-ELT). Das AIP hat bereits zur VLT-Instrumentierung beigetragen und engagiert sich in zwei Design-Studien für das E-ELT.
....und wer darf damit beobachten?
Ist ein Teleskop einmal gebaut und funktioniert, kann prinzipiell jeder einen Beobachtungsantrag stellen – sofern er oder sie eine gute Idee und auch gute Argumente dafür hat. Alle Anträge werden von erfahrenen Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftlern in speziellen Ausschüssen geprüft, diskutiert und gerankt. Der Wettbewerb ist hart: Oft beträgt die beantragte Zeit ein Vielfaches der verfügbaren Zeit. Ein Teil der Zeit ist für Projekte und wissenschaftliche Vorhaben reserviert, welche die Expertinnen und Experten bereits im Vorfeld als besonders wichtig eingestuft haben. AIP-Forscherin Maria-Rosa Cioni ist mit dem Prozedere bestens vertraut. Seit 1997 beobachtet sie selbst mit ESO-Teleskopen, leitet eine zentrale ESO-Gruppe und vertritt Deutschland seit 2015 im ESO Users Committee.
Ist ein Beobachtungsantrag erfolgreich, so wird das Teleskop für eine bestimmte Zeit auf das gewünschte Objekt ausgerichtet. Manchmal heißt das für den Beobachter oder die Beobachterin, dass er oder sie selbst zum Teleskop reist. Oft erhält man aber auch nur die Daten, die automatisch oder durch andere Beobachtende aufgenommen wurden. Beobachtungskampagnen bieten auch eine fantastische Chance für Studierende, die Bedienung eines Teleskops kennenzulernen. Für Promovierende, die während eines Großteils ihrer Doktorarbeit bei ESO in München oder Chile arbeiten möchten, bietet ESO sogar „studentships“ an. ESO students haben ihren formellen Betreuer an ihrer Heimatuniversität, beispielsweise in Potsdam, und werden gleichzeitig von einem ESO-Astronomen vor Ort mitbetreut.
Big Data – und vernetztes Arbeiten
Erfolgreiche Beobachtungsanträge erfordern meist auch den Umgang mit riesigen Datenmengen – vor allem wenn es sich um eine großangelegte Himmelsdurchmusterung handelt, wie es bei Maria-Rosa Cioni der Fall ist. Für ihre Arbeiten, die auf Daten vom VISTA-Teleskop in Chile basieren, erhielt sie einen der renommierten ERC Consolidator Grants der Europäischen Union, aus dessen Mitteln sie nun ihre eigene Forschungsgruppe am AIP aufbaut. Ihre wissenschaftlichen Ziele sind, die Wechselwirkung von Galaxien zu studieren und ein präzises Modell für die Geometrie, Bewegung und Entstehungsgeschichte von Sternen in den Magellanschen Wolken zu entwickeln. Sie und ihr Team werden dabei Beobachtungsdaten von VISTA und vom Weltraumsatelliten Gaia auswerten.