Astrophysik als Berufsfeld

Interview mit Prof. Dr. Stephan Geier

Prof. Dr. Stephan Geier ist Astrophysiker und Historiker. Seit 2018 forscht und lehrt er an der Universität Potsdam am Institut für Physik und Astronomie. Seine Forschungsgebiete sind die Endstadien der Sternentwicklung, wie Supernova-Vorläufer und enge Doppelsternsysteme, sowie die Wechselwirkung zwischen Sternen und substellaren Objekten wie Braunen Zwergen und Planeten.

Im Interview erzählt er von seinem Werdegang und aktuellen beruflichen Herausforderungen.

Wir möchten heute über die Astrophysik als Berufsfeld sprechen. Wann war für Sie klar, dass Sie Astrophysiker werden wollen?

Klar war das eigentlich nie so richtig, zumindest nicht von Anfang an. Ich habe an der Universität Erlangen-Nürnberg Physik und zeitgleich auch Geschichte studiert. Während meiner Studienzeit hat mir das Forschen und Arbeiten in der Astrophysik aber schon sehr gut gefallen und bei der Promotion ist der Funke dann aber wirklich übergesprungen. Von 2004 bis 2012 war ich an der Dr. Karl Remeis-Sternwarte in Bamberg tätig. Zunächst als Diplomand und Doktorand. Das war eine tolle Zeit, fachlich gesehen und auch dank der familiären Arbeitsatmosphäre dort.

 

War es nach der Promotion leicht, eine Stelle in der Wissenschaft zu finden?

Nein, eher nicht. Ich musste mich selbst um weitere Finanzierungen kümmern, erst als Postdoc mit einer Stelle gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), danach über ein Stipendium bei der Europäischen Südsternwarte ESO in Garching bei München, bevor ich als Marie-Curie-Stipendiat an die University of Warwick in Großbritannien ging. Ich hatte eigentlich vermutet, dass ich in England bleiben würde, da es dort damals ganz gute Aussichten auf eine dauerhafte Stelle gab. 

 

War der Weg zur Professur damit vorgezeichnet?

Nein, ganz und gar nicht. Ich denke, der Weg zu einer Professur ist so gut wie nie vorgezeichnet. Es gibt viele sehr gute Kolleginnen und Kollegen, die die Qualifikation für eine Professur absolut mitbringen und es leider nie zu einer permanenten Stelle oder Professur in der Astrophysik schaffen. Das hängt oftmals aber gar nicht mit dem Talent oder der Expertise zusammen, sondern auch mit vielen anderen Faktoren, wie dem Zeitpunkt und den freiwerdenden Stellen. Und oftmals auch mit Glück. Bei mir kam Vieles davon zusammen.

 

Wie sind Sie denn dann schlussendlich Professor geworden?

Das war eine eher kuriose Geschichte. Kurz nach meinem Weggang aus Garching, da war ich gerade einmal einen Monat in Warwick, bekam ich ein Angebot für eine Dauerstelle als akademischer Rat in Tübingen. Die konnte ich natürlich nicht ausschlagen, denn so ein Angebot gibt es höchst selten. In England blieb ich daher nur fünf Monate und wechselte ab April 2016 an die Universität Tübingen. Kurze Zeit später ergab sich schon die nächste Chance: eine Professur in Potsdam. Das war meine erste Bewerbung auf eine Professur und dass es auch gleich geklappt hat, war umso erstaunlicher. Seit April 2018 bin ich nun Professor für Stellare Astrophysik an der Universität Potsdam.

 

Was hat sich mit der Professur geändert?

Neu ist für mich vor allem, dass ich jetzt natürlich vermehrt Lehraufgaben wahrnehme und auch Verwaltung einen größeren Teil meiner Arbeitszeit eingenommen hat. Was mich aber am meisten überrascht hat ist, dass das Leiten einer größeren Forschungsgruppe und das gemeinsame Forschen so viel Spaß macht. In meiner bisherigen Laufbahn war ich eher das Einzelkämpfer-Dasein gewohnt. Ich musste immer meine eigene Stelle, mein eigenes Projekt konzipieren, beantragen und dann auch selber durchführen. An der Universität Potsdam hat sich das sehr schnell geändert. Innerhalb des ersten Jahres ist meine Arbeitsgruppe sehr stark gewachsen. Zuerst kamen vier Postdocs hinzu, zwei davon mit eigener Finanzierung wie einem Humboldt-Stipendium und einem Open Topic Stipendium der Universität Potsdam, und dann entsprechend auch einige Masterstudierende und Doktorandinnen und Doktoranden. Als Gruppenleiter hat man dann viel Verantwortung und muss sich um das große Ganze kümmern – finanziell und organisatorisch, aber natürlich auch als Betreuer. Am schönsten ist es, dabei zu sehen, wie schnell sich die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler weiterentwickeln und als Team zusammenfinden.

 

Wie sieht heute Ihr Alltag als Forscher aus?

Zum Forschen und Beobachten komme ich nicht mehr so oft. Allerdings war das früher auch nicht so häufig, wie man sich das vielleicht vorstellt. Meist bin ich ein bis zweimal im Jahr zu einer Beobachtung unterwegs gewesen. Das ist natürlich immer besonders spannend, manchmal auch abenteuerlich aufgrund der Standorte und teilweise auch meditativ. Man hat dann viel Zeit zum Nachdenken. Solche Beobachtungsmöglichkeiten versuchen wir auch unseren Masterstudierenden anzubieten. Zum Beispiel haben wir ein gemeinsames Projekt mit der Sternwarte Ondrejov in Tschechien. Dieses Projekt bereitet die Studierenden auch ein bisschen auf die internationale Astronomie-Community vor. Unsere Community trifft sich entweder jährlich oder alle zwei Jahre zu einer großen Konferenz. Das ist in den spezielleren Fachgebieten immer noch sehr familiär, man kennt sich ganz gut, auch wenn wir über die ganze Welt verteilt sind. Besonders faszinierend ist, dass – egal woher jemand kommt – alle die gleiche Passion für Astrophysik teilen. Das ist dann auch hilfreich für große Projekte, für die man sich zu internationalen Konsortien zusammenschließen muss. Diese sind verbunden mit viel Organisation, genauem Projektmanagement und mit dem Runterbrechen in Arbeitspakete. Beim Abarbeiten dieser Pakete und Arbeitsschritte kommt man sich fast wie in einer Industrie vor. Am Ende belohnen für die Mühen dann aber so großartige Erfolge wie das Hubble-Teleskop.

 

Der internationale Masterstudiengang Astrophysik an der Universität Potsdam ist vor ein paar Jahren gestartet. Wie sind Ihre Erfahrungen bisher?

Wir haben konstant hohe Bewerberzahlen für den Master und unsere Studierenden kommen von überall her. Dadurch ist unser Masterstudiengang sehr international. Trotzdem ist auch hier in Potsdam Astrophysik kein Massenfach. Das Studium ist recht aufwändig und auch anspruchsvoll. Dabei hilft aber der enge Austausch und gute Kontakt zu den Dozentinnen und Dozenten. Allein schon von den Räumlichkeiten her ist hier alles nah beieinander. Die Seminarräume sind in direkter Nähe der Büros der Lehrenden. Mit den Studierenden, die häufig in den offenen Arbeitsplatzbereichen am Institut arbeiten, tauscht man sich durch die meist offenen Türen unkompliziert aus. Man kennt sich dann wirklich gut untereinander.

 

Was macht den Studiengang besonders?

Einzigartig für Potsdam ist die fachliche Bandbreite in diesem Masterprogramm. Mit den vielen gemeinsamen Berufungen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und den Professuren an der Universität Potsdam decken wir eigentlich die komplette Astrophysik ab: Von Kosmologie über Stellare Astrophysik, Exoplanetenforschung zur Gravitationswellenphysik ist alles dabei. In dieser Vielfalt gibt es das wohl nicht noch einmal in Deutschland und weltweit ist so ein Master mit Hauptfach Astrophysik auch selten. An den meisten Universitäten ist Astrophysik ja ein eher kleines Nebenfach. Hier in Potsdam haben wir allerdings einen wirklich großen Standort mit der Universität, dem Leibniz-Institut für Astrophysik, dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik Albert-Einstein-Institut und dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY mit dem Forschungsschwerpunkt Astroteilchenphysik.

 

Mit welchen besonderen Fähigkeiten stattet das Studium die Studierenden aus?

Studierende werden in Potsdam schon früh in die Forschung mit einbezogen. Beispielsweise schreiben sie an wissenschaftlichen Publikationen mit, arbeiten an gemeinsamen Forschungsprojekten – auch mit den außeruniversitären Forschungsinstituten – und halten während des Studiums viele Vorträge. Natürlich bringen Absolventinnen und Absolventen auch Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Projektmanagement und interkulturelle Kommunikation mit. Die Voraussetzungen hier in Potsdam sind also sehr gut, um Kontakte in der Astrophysik zu knüpfen und dann hoffentlich auch schnell eine Stelle zu finden.

 

Welche Berufe und Perspektiven gibt es außerhalb der Astrophysik?

Die Astrophysik ist sehr kompetitiv, wie viele andere Fächer auch, und es gibt nur wenige Stellen in der Forschung. Daher sollte man auch an andere Karriereoptionen denken und eventuell auch schon mal die Fühler ausstrecken. Wir wollen zum Beispiel den Bereich „Computational Astrophysics“ weiter ausbauen, da dort später gute Jobmöglichkeiten entstehen. Stichwort Data Scientist. Natürlich gibt es auch im Bereich der Bildung und Lehre Möglichkeiten oder in der Softwareentwicklung und bei IT-Firmen. Einige meiner früheren Kollegen sind zudem Patentanwälte geworden.

 

Sie sind ja nicht nur Astrophysiker, sondern auch Historiker. Wie lässt sich beides verbinden?

In gemeinsamen Lehrveranstaltungen! Mit den Kolleginnen und Kollegen aus der humanwissenschaftlichen Fakultät planen wir ein gemeinsames Seminar zum Thema Geschichte der Wissenschaft, genauer zu wissenschaftlichen Durchbrüchen, und eine Ringvorlesung zur Himmelsbeobachtung in der Antike. Dass das interdisziplinäre Zusammenarbeiten mit anderen Fachbereichen hier so einfach klappt, freut mich als promovierter Historiker und Astrophysiker besonders.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Nadine Lux von science³ - Agentur für Wissenschaftskommunikation.

 

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